Zeitenwende – aber wohin? Setzen wir Deutschland in den Sattel, reiten wird es schon können: Diese Devise von Kanzler Bismarck stellte sich als falsch heraus. Seine Nachfolger konnten nicht reiten. Damals versagten die ostelbischen Führungsschichten, weil sie sich von überkommenen altpreußischen Traditionen nicht lösen konnten. Und heute? Was ist mit der Zeitenwende von Kanzler Scholz? Wie verhalten sich die westelbischen Eliten des wiedervereinigten Deutschland? Werden sie sich von veralteten bundesrepublikanischen Traditionen lösen können oder scheitern wie ihre Vorgänger? Der Wille, dies zu vermeiden, erscheint derzeit als nicht gerade groß.
Wenige Tage nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine am 24. Februar 2022 erklärte Bundeskanzler Scholz die deutsche „Zeitenwende“ in der Außen- und Sicherheitspolitik. Ein Jahr später trat die Verteidigungsministerin gescheitert zurück, und den Strategieentwurf der Außenministerin für eine neue Außen- und Sicherheitspolitik kassierte das Kanzleramt als bloße „Ideensammlung“. Nichts von „Zeitenwende“. Hauptgrund: Die politische Kultur der Bundesrepublik ist keine strategische Kultur. Sich Ziele zu setzten und diese umzusetzen, fällt ihr schwer. Und damit auch die kritische Bestandsaufnahme eigener Fehler, der entscheidenden Voraussetzung für eine realistische Zeitenwende. Berlin kann vor allem Innenpolitik, Wissenschaftler sprechen deshalb auch von „außenpolitischem Autismus“, der Unfähigkeit, sich auf Änderungen des internationalen Umfelds rechtzeitig einzustellen. Dies gilt besonders seit der Krim-Annektion Russlands 2014. Ohne die Aufarbeitung dieser Erfahrungen wird eine deutsche „Zeitenwende“ auch weiterhin scheitern.
Gewicht | 0,33 kg |
---|
Bewertungen
Es gibt noch keine Bewertungen.